Haushaltsrede 2022

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

zunächst möchte ich persönlich und im Namen meiner Fraktion unseren herzlichen
Dank an Frau Grehling und das Team der Kämmerei richten. Auch für Sie als
Kämmerin sind die Zeiten nicht einfacher geworden. Die Pandemie lässt vieles in den
Hintergrund treten und gibt uns neue, zusätzliche Hausaufgaben mit auf den Weg. Im
vergangenen Jahr hatten Sie es mit unterschiedlichen Mehrheiten mit wechselnden
Schwerpunkten zu tun. Es war ohne Frage eine besondere Herausforderung,
dieses politische Potpourri ohne klare Führung im Haushalt mit der finanziellen
Realität zusammen zu bringen.

Dennoch ist es Ihnen gelungen, Frau Grehling. Sie haben einen Haushaltsplanentwurf
erstellt, der die Basis der strategischen Grundausrichtung aus den Zeiten der großen
Koalition um die politischen Beschlüsse des Jahres 2021 ergänzt. Fraglos mussten Sie
dieses Jahr gemeinsam mit Ihrem Team außergewöhnlich kreativ werden, um die
Enden des Haushalts zusammenzubringen.

Schon recht früh haben wir den Fraktionen, die heute die Mehrheit für diesen
Haushalt bilden werden, deutlich gemacht, dass der Entwurf unserer Ansicht nach
dennoch einer Überarbeitung bedarf:

Die Pandemie und die wirtschaftliche Entwicklung erfordern eben mehr als eine
leichte Justierung der Ausrichtung, die wir noch mit der CDU gemeinsam festgelegt
haben. Wir müssen auf die Veränderungen reagieren! Wir müssen neue, klare
politische Schwerpunkte setzen! Dies war jedoch nicht erwünscht.
Der Haushalt sollte so bleiben, wie er ist. Das Ergebnis liegt heute vor uns:

Ein Haushalt in dem von vielem etwas, aber nur von wenig genug abgebildet
wurde.

Ein Haushalt von dem wir wissen, dass zu viele Themen angekratzt werden, so dass
nur ein Bruchteil davon wirklich nachhaltig bearbeitet werden wird.

Ein Haushalt, der sich um eine schmerzhafte, aber erforderliche Priorisierung drücken
möchte.

Meine Fraktion hat es sich nicht leicht gemacht, eine Entscheidung zum vorliegenden
Entwurf und den in den Ausschüssen gefassten Beschlüssen zu treffen.
Grundsätzlich finden wir ja durchaus wichtige Themen wieder: Das IKSK ist in
Grundzügen abgebildet, die Schulsozialarbeit wurde verstärkt und das von uns
beantragte Kinder- und Jugendparlament ist enthalten.

Deshalb möchte ich den Haushaltsentwurf auch nicht in Bausch und Bogen
verdammen, unter dem Strich bleibt er aber eben ein ambitionsloses Potpourri
ohne Durchschlagskraft.

Die SPD-Fraktion sieht wesentliche inhaltliche Schwerpunkte nicht ausreichend
abgebildet und wird diesem Haushalt nicht zustimmen können.

Der Haushalt offenbart aus unserer Sicht schlicht einen zu geringen politischen
Gestaltungswillen. Dazu wäre eben eine grundsätzliche Überarbeitung in enger
Abstimmung mit der Kämmerei erforderlich gewesen. Politische Kärrnerarbeit, die
auch die erforderlichen Einsparungen ergeben hätte. Sie alle wissen, dass man so
eine echte Schwerpunktsetzung nicht gegen eine politische Mehrheit durchsetzen
kann, die wenig bis nichts im Haushalt bewegen will. Wir haben es deshalb bei einigen
wenigen Akzenten belassen müssen.

Und erneut möchte ich mich bei Frau Grehling bedanken, die Teile unserer
Forderungen, wie die Entlastung von Familien mit geringen Einkommen oder der
durch Corona gebeutelten Gastronomie aufgegriffen und teilweise eingeplant hat. Der
Wille ist erkennbar.

Nicht erkennbar ist allerdings die von uns eingeforderte ECHTE Verschiebung der
Prioritäten. Die in den Ausschüssen mit Mehrheit beschlossenen Änderungen sind
eben keine grundsätzliche Lösung der Hausaufgaben, die der Haushaltsentwurf uns
gestellt hat.

Die erste und ganz klare Priorität in unserer Stadt sollten die Familien, die
Kinder und Jugendlichen sein. Sie alle haben in den letzten zwei Jahren am
stärksten unter Corona gelitten: Verzicht auf Schule, Kita, Freundinnen und Freunde,
auf Hobbies. Verpasste Abschlussfahrten, Abiturfeiern, Parties.
Vielen wurde ein wichtiger und wunderschöner Lebensabschnitt genommen und
durch Sorge und Unsicherheiten ersetzt.
Viele Familien, gerade diejenigen mit geringerem Einkommen sind in Schieflage
geraten. Kurzarbeit, Jobverlust, Existenzängste.

Viele können es sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie es ist, einen Beruf mit
Homeschooling, Testmarathon und der Ungewissheit zu gestalten, ob man morgen
sein Kind in die Schule oder Kita bringen kann.
Wer Glück hat, kann dann wenigstens selbst im Homeoffice arbeiten, dann kann man
die Arbeit nämlich nach der Schlafenszeit des Nachwuchses noch erledigen.

Nicht umsonst haben extrem viele Menschen ihre Arbeitszeiten reduziert – natürlich
mal wieder vor allem die Frauen – Corona hat die Emanzipation um Jahrzehnte
zurückgeworfen.

Vor diesem Hintergrund reicht es dann eben nicht, Familien, die unter 40.000 €
Jahreseinkommen haben, vorübergehend ein Jahr von den Kita-Gebühren zu befreien.
Diese Familien brauchen eine langfristige Perspektive und Unterstützung!

Ich weiß nicht, ob das den Kolleginnen und Kollegen außerhalb des zuständigen
Ausschusses so bewusst ist: Eine Verkäuferin, die sagen wir mal 2.500€ im Monat
verdient, netto sind das ca. 1.800€, zahlt ab Januar für ihr Kind wieder 150€ KitaGebühren zzgl. der 50€, die sie ohnehin schon für das Mittagessen zahlt. Das mag für
manche hier nicht nach viel klingen. Für junge Familien oder Alleinerziehende sind das
aber genau die Beträge, die am Ende nicht zur Seite gelegt werden können, falls die
Waschmaschine mal kaputt ist, eine größere Anschaffung ansteht oder einfach nur
mal wieder neue Kinderschuhe gebraucht werden.

Auch in anderen Bereichen ist unserer Ansicht nach zu wenig in Bewegung
gekommen, das Familien unterstützt und ihre Lebenswelt besser macht. Sei es der
Ausbau und die Sanierung von Spielmöglichkeiten, insbesondere in der
Innenstadt oder ein besseres Angebot öffentlicher Toiletten.

Gleiches gilt für die so dringend nötige Verzahnung von Sportentwicklung und
Sozialentwicklung. Wir sind uns sicherlich einig, dass Sport und seine Infrastruktur ein
wichtiger sozialintegrativer Faktor sind. Aber auch die Einrichtung einer Stelle im
Fachbereich Sport als taktgebende Schnittstelle haben Sie abgelehnt. Ohne
Begründung wohlgemerkt.

Auch politisch bereits beantragte Maßnahmen, die Familien entlasten würden, wurden
nicht abgebildet. Ein kostenloses Mittagessen an Schulen und Kitas, das meine
Fraktion im vergangenen Jahr initiiert hat, wurde nicht angegangen. Gerade dieses
Projekt würde Familien mit geringem Haushaltseinkommen überproportional
entlasten und könnte einen substantiellen Beitrag zur gesunden Ernährung unserer
Kinder leisten. Ganz zu schweigen davon, dass es damit erst möglich würde, das
Mittagessen preisunabhängig regional und ökologisch erzeugt zu beschaffen.

Ein weiterer Themenkomplex, der unserer Auffassung nach zu kurz kommt, ist die
Wirtschaftsförderung. Eine Stadt, die schlagkräftig und handlungsfähig bleiben
will braucht starke Unternehmen. Wir sind gerade auf dem Weg,
Gewerbeansiedlungen mit hohen Auflagen zu erschweren und vor allem zu
verlangsamen. Schon heute drohen wichtige Institutionen aus Aachen wegzugehen.
Erste Unternehmen haben sich bereits für alternative Standorte entschieden.

Wir haben auf Avantis gesehen, wo die Risiken eines zu ausgeprägten planerischen
Anspruchs liegen und damals haben wir noch gemeinsam gegengesteuert. Noch vor
wenigen Monaten haben wir alle gemeinsam bekundet, wie wichtig es ist, möglichst
nahtlos neue Industriearbeitsplätze für die Kolleginnen und Kollegen von Continental
zu schaffen. Dieses Ziel dürfen wir nicht leichtfertig aufgeben.

Gleichzeitig wird in den umliegenden Kommunen des Rheinischen Reviers über eine
Sonderwirtschaftszone und extrem vereinfachten Planungsprozesse für
Gewerbeflächen nachgedacht. Die Vorgaben für investitionswillige Unternehmen
werden minimiert, Ansiedlungen leicht gemacht.

Aber wir haben Chancen! Diese Chancen liegen in der Revitalisierung bestehender
Gewerbeflächen und in der engen Kooperation mit unseren Nachbarkommunen.

Beispiel “Aachen-Nord und die Jahrhunderthalle”: Städtische Überlegungen raten
dazu, die hier entstehende Dynamik mit einer eigenen Managementstruktur zu
organisieren. Leider ist dafür im Haushalt kein Geld vorhanden.

Gleiches gilt für die Continental-Flächen: In Kürze erhalten wir die Ergebnisse des
beauftragten Gutachters. Auch darin werden uns wieder Hausaufgaben aufgegeben
werden und wir alle wissen, dass die schnellstmögliche Wieder-Inwertsetzung dieser
Fläche eine Top-Priorität für Aachen ist. Stehen dafür Mittel im Haushalt bereit? Leider
nicht.

Und so ist es schließlich auch mit der Regionalisierung: Es gibt ja bereits Flächen, wie
z.B. Eschweiler-Kinzweiler, die interkommunal entwickelt werden könnten. Die Region
wartet noch auf uns. Aber wenn wir noch länger zögern, wird die Geduld bald
erschöpft sein.

Wir müssen Arbeitsplätze in Aachen halten und schaffen, wir brauchen eine
starke Wirtschaft und wir müssen dabei unsere unbestreitbar vorhanden Stärken
weiter stärken! Es ist deshalb mehr als schade, dass selbst unser Antrag auf
Erhöhung der Mittel für den Aachener Tourist Service abgelehnt wurde.

Durch Corona ist auch das Thema Wohnen nochmals wichtiger geworden: Niemals
waren die eigenen vier Wände so wichtig, wie in den letzten beiden Jahren. Und
niemals war es so entscheidend, ob man eine größere oder kleinere Wohnfläche, mit
oder ohne Garten finanzieren konnte.

Wir haben im letzten Planungsausschuss und im aktuellen Wohnungsmarktbericht
gesehen, dass der Wohnungsbau abgenommen hat. Wir verlieren auch politisch den
Anschluss an die wegweisenden Beschlüsse der letzten Wahlperiode. Bei gleichzeitig
massiv steigenden Mieten ist das ein Drama für viele junge Familien, die in
unserer Stadt bleiben möchten, aber faktisch keine Möglichkeit haben eine
geeignete Immobilie zu mieten, geschweige denn zu kaufen. Der Run auf die
Wohngebiete in den umliegenden Kommunen zeigt, dass wir in unserem Handeln
nicht nachlassen dürfen. Die Menschen stimmen mit den Füßen ab. Für Baesweiler,
gegen Aachen. Der vorliegende Haushalt gibt hier leider auch keine Antwort.

Der Sozialbereich ist ebenfalls kein erkennbarer Schwerpunkt dieses Haushalts. Die
langfristige und auskömmliche Sicherung von zukunftsfähigen
Aufenthaltsmöglichkeiten für Obdachlose ist nicht abgebildet. Das Angebot für
obdachlose Frauen, für das im vergangen Jahr auf unsere Initiative Gelder eingestellt
wurden, ist nicht umgesetzt und die von der FDP in den letzten Haushalt verhandelten
Mittel für ein Projekt für Obdachlose mit Hunden wurden nicht abgerufen.
Entsprechende Anträge der Fraktion DIE Zukunft für diesen Haushalt wurden
abgelehnt. Es bleibt leider dabei: Ein Gesamtkonzept im Bereich der
Wohnungslosenhilfe ist weder räumlich noch finanziell abgebildet.

All das wäre möglich gewesen, wenn man frühzeitig gemeinsam priorisiert hätte. Sie
werden sagen, dass man vieles davon im laufenden Haushalt noch nachtragen kann:
Die Gebührensatzung der Kitas und OGS kann man bis Ende des Jahres anpassen, die
erforderlichen Mittel für Aachen Nord und Continental werden wir unterjährig finden,
die Ausstattung der angedachten Wohnungsbaugesellschaft kann man in den
nächsten Monaten ergänzen, die ats-Finanzierung in der Mitte des Jahres nachziehen
und die Obdachlosigkeit durch ein neues Programm bekämpfen, das dann
selbstverständlich auch finanziell unterfüttert werden wird.

Ja, das ist alles noch möglich! Und lassen Sie mich sagen: Wir sind dabei! Deshalb
habe ich von Hausaufgaben gesprochen, die der Haushaltsplanentwurf uns
mitgegeben hat. Der heute vermutlich von Schwarz-Grün beschlossene Haushalt
wird diese Hausaufgaben ganz sicher nicht lösen. Deshalb ist er für uns auch
nicht zustimmungsfähig.

Aber wir wollen die von mir skizzierten Aufgaben gemeinsam mit allen Fraktionen
angehen. Wir dürfen uns dieser Aufgabe nicht verweigern. Es muss aus unserer Sicht
ab heute darum gehen, schnellstmöglich zu korrigieren, einen klaren Kurs
einzuschlagen und die erforderlichen Schwerpunkte nachzuliefern.

Leicht wird diese Aufgabe nicht werden:
Der Haushalt enthält erhebliche Risiken, die wir dringend beobachten müssen.

Wir alle kennen die erwarteten Mehrausgaben und Mindereinnahmen, die nicht im
Haushalt abgebildet sind. Die Gewerbesteuer ist sehr optimistisch veranlagt, bei der
ASEAG erwartet uns ein höheres Defizit von etwa 1,5 Mio. € und die Anpassung der
Beamtenbesoldung wird nochmals Mehrkosten von mindestens 1,8 Mio. € auslösen.

Letzteres kann ohne eine Priorisierung nur über eine weitere Kürzung im
Personalkostenverbund kompensiert werden, die uns faktisch durch die Hintertür in
eine erneute Wiederbesetzungssperre führen wird. Ein unseeliges Instrument, das wir
in der letzten Wahlperiode endlich wieder abgeschafft hatten!
Statt politisch Prioritäten zu setzen, statt Aufgaben zu priorisieren, statt
essenzielle Stellen von “Nice-to-have-Stellen” zu unterscheiden, wird die
Verwaltung durch die entstehende Zufälligkeit geschwächt.

Trotz all dieser Herausforderungen und Risiken: Wir sehen, dass noch Wege offen
sind!

Deshalb bieten wir Ihnen an, die Hausaufgaben, die uns dieser Haushalt stellt
gemeinsam zu lösen. Wir hoffen auf eine konstruktive Zusammenarbeit in diesem
Rat.

Wir werden auch weiterhin klar sagen, wo wir hinwollen und wir arbeiten für
Mehrheiten, die unsere Prioritäten teilen.

Oder um im Bild des Marktes der Ideen zu bleiben, den wir – wie ich finde eine ganze
Weile als einen neuen Ansatz des politischen Miteinanders mit allen sechs im Rat
vertretenen Fraktionen recht gut mit Leben gefüllt haben:

Als es anfing zu regnen, haben Grüne und CDU Ihre Stände ganz schnell abgebaut
und sind in ein exklusives Ladenlokal umgezogen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind doch alle Öcher, wir sind nicht
aus Zucker und wir lassen uns von ein bisschen Regen nicht davon abhalten
unser Angebot für alle weiter aufrecht zu erhalten. Also kommen sie doch
wieder zu uns auf den Marktplatz.

Von diesem Weg bin ich, ist die SPD-Fraktion überzeugt. Entscheidend wird sein, ob
wir es schaffen zurück zu einer Basis zu kommen, in der wir uns auf Augenhöhe
begegnen.

Vielen Dank!

https://spdaachen.de/wp-content/uploads/2022/02/Haushaltsrede-2022-SPD-1.pdf