Haushaltsrede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Servos
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir beraten heute das letzte Mal in dieser Ratsperiode über unseren städtischen Haushalt. Die äußeren Rahmenbedingungen der vergangenen fünf Jahre waren turbulent und für uns alle eine Herausforderung.
Daran wird sich auch in den kommenden Jahren wenig ändern.
Wir alle blicken in den letzten Tagen mit Entsetzen in die USA und beobachten, wie der amerikanische Präsident nicht nur einen globalen Handelskrieg vom Zaun bricht sondern auch die Ukraine und damit Europa in einem seiner berüchtigten “Deals” über die Klinge springen lässt.
Gerade wir hier in der Europastadt Aachen wissen, dass es nun ums Ganze geht. Dass wir Europäerinnen und Europäer nun noch enger zusammenstehen. Und wir wissen auch, dass wir wirtschaftlich harten Zeiten entgegen blicken.
Ich bin froh, dass diese Einsicht endlich auch in Berlin Einzug zu halten scheint, dass Lösungen europäisch gedacht werden und die Schuldenbremse endlich reformiert wird.
Hier vor Ort drehen wir natürlich kleinere Räder: Es ist unsere Aufgabe, mit den uns zur Verfügung stehenden Instrumenten das Beste für die Menschen in unserer Stadt zu erreichen. Ich bin überzeugt, dass uns dies auch im dritten Jahr unserer rot-grünen Zusammenarbeit wieder gelungen ist.
Viele Projekte, die wir als Koalition oder auch parteiübergreifend auf den Weg gebracht haben, sind bereits im Planentwurf der Kämmerin enthalten. Dafür und für die von Ihnen, liebe Frau Grehling, und Ihrem Team geleistete Arbeit möchte ich im Namen meiner Fraktion herzlich `Danke` sagen! Wir wissen es sehr zu schätzen, wie engagiert Sie sich für eine solide Haushaltsführung einsetzen und dabei gleichzeitig die politischen Prioritäten der jeweiligen Ratsmehrheit abbilden.
Der heute zur Entscheidung vorliegende Planentwurf ist eng kalkuliert. Dass es gelungen ist, die Enden zueinander zu bringen, ist einem spitzen Rotstift zu verdanken und erst die unterstellte Reduktion der Ausgaben in Höhe von 48 Mio. € – 22 Mio. € über den Personalkostenverbund und 26 Mio.€ über einen globalen Minderaufwand – sichern die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts.
Die Haushaltsabschlüsse der vergangenen Jahre haben immer wieder positive Überraschungen ausgewiesen, aber diese Effekte scheinen aufgebraucht und zur globalen wirtschaftlichen Situation habe ich schon genug gesagt.
An dieser Stelle gibt es nun drei Optionen:
Die Gewerbe- oder Grundsteuern erhöhen und damit unsere lokale Wirtschaft destabilisieren.
Sich aus der Verantwortung stehlen. Gerne mit der Argumentation, dass man “sparen müsse” und im Haushalt “zu viel Unsinn drin stehe”. Dann aber weder Ross noch Reiter zu benennen.
Oder eben die Ärmel hochkrempeln und gestalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
gemeinsam mit unserem Koalitionspartner haben wir uns – Sie werden es an der leicht suggestiven Formulierung schon erkannt haben – für Tor 3 entschieden. Wir haben in einem ersten Schritt ein Investitionscontrolling eingeführt und bei der Kämmerei verankert. Im zweiten Schritt haben wir schon vor der Haushaltsaufstellung einen breiten Konsolidierungsantrag eingebracht, der insbesondere die Priorisierung unserer Aufgaben und Beschlüsse adressiert.
Aber: Dieser Weg ist steinig und das Ziel nicht in wenigen Wochen oder Monaten zu erreichen.
Es wird dennoch nicht ohne die von uns angestoßene Prioritätensetzung gehen.
Sie ist zur Sicherung der wirklich wichtigen Angebote für die Aachenerinnen und Aachener erforderlich und wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, – wohl oder übel – die Hauptaufgabe des Rates für die kommenden Jahre sein.
Die Kämmerei hat den Prozess begonnen und überprüft auf unsere Initiative hin mit den Fachbereichen alle Investitionen. Diese Objektivierung gibt uns als Politik das Rüstzeug, um die notwendigen Priorisierungen festzulegen.
Im nächsten Schritt muss ein analoges Verfahren für den konsumtiven Bereich folgen.
Wenngleich wir es in diesem und erst Recht im nächsten Jahr mit einem engen finanziellen Spielraum zu tun haben, werden wir nicht kapitulieren und nicht nachlassen, die großen Herausforderungen unserer Stadt anzugehen.
Der finanzielle Spielraum, den wir durch die genannten Schritte erreichen wollen und werden, ist für uns kein Selbstzweck.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fühlen uns verpflichtet, Aachen gerade in diesen Zeiten zukunftsfest zu machen!
Seit der letzten Kommunalwahl sind wir kontinuierlich an unseren Kernthemen dran geblieben und haben Lösungen für die handfesten, alltäglichen Probleme der Menschen in Aachen erarbeitet: Der Bau von bezahlbaren Wohnungen, die Unterstützung für Aachener Familien, die Entwicklung der Innenstadt, die Schaffung von Arbeitsplätzen durch eine starke Wirtschaft und exzellente Wissenschaft und nicht zuletzt der Klimaschutz und die Klimafolgenanpassung.
Es ist vor diesem Hintergrund gut und wichtig, dass wir mit diesem Haushalt, mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft und dem Azubiwerk, ein wichtiges Stück vorankommen und neben den bereits im Haushalt und zahlreichen Grundsatzbeschlüssen enthaltenen Werkzeugen weitere Maßnahmen zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ergreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir dürfen nicht akzeptieren, dass es für Menschen, die unsere Straßen sauber halten, unsere Kinder betreuen oder unsere Eltern pflegen, kaum noch möglich ist, eine bezahlbare Wohnung in unserer Stadt zu finden! Die Umsetzung der Grundsteuerreform durch das Land NRW hat dabei das Problem übrigens noch verschärft und das Wohnen verteuert.
Gute und verlässliche Kinderbetreuung ist sowohl für Familien als auch für Aachener Unternehmen von großer Bedeutung. Nicht zuletzt ist sie eine der wichtigsten Grundlagen der Gleichberechtigung von Frauen, die seit Corona große Rückschläge hat hinnehmen müssen. Eigentlich müssten hier alle politischen Ebenen an einem Strang ziehen.
Leider hat das Land die kommunale Familie auch bei diesem Thema im Regen stehen lassen. Wir alle haben mit Entsetzen, aber die meisten wohl auch mit Verständnis, die aktuelle Stellungnahme der kirchlichen Träger zur Finanzierung der Kitas durch das Land zur Kenntnis genommen. Dort heißt es: „Wenn sich an der Finanzierungssystematik [..] nicht grundlegend etwas ändert, werden wir das System nicht [..] aufrecht erhalten können“.
Auch für das Aachener Modell zur Entlastung von Kitas ist aus Düsseldorf keine Unterstützung zu erwarten. Einmal mehr sind wir auf uns allein gestellt und müssen mit unserem Verwaltungskräfteprogramm eigene Wege gehen.
Gleiches gilt für die Schulsozialarbeit. Wir springen dort ein, wo uns die Landesregierung im Regen stehen lässt.
Es ist einer der größten Erfolge unserer Koalition, dass es trotz dieser widrigen Bedingungen gelungen ist, die Kita-Beitragsentlastungen für untere und mittlere Einkommen zu beschließen und fortzuschreiben. Für die Betroffenen ist jeder Euro in der Familienkasse von Bedeutung, gerade in wirtschaftlich harten Zeiten.
Ein weiteres Thema, das viele Familien in Aachen bewegt, sind Spielmöglichkeiten für Kinder, insbesondere in der Innenstadt. Hier richte ich meinen Dank und einen Wunsch an die Verwaltung: Zunächst den Dank dafür, dass die erforderlichen Mittel bereits eingeplant sind. Mein Wunsch ist, dass wir nun auch so schnell wie möglich in die Umsetzung kommen!
Im sozialen Bereich ist es uns gelungen, unser dichtes Netz von Angeboten im Haushalt abzusichern. Das ist in Zeiten knapper Kassen keine Selbstverständlichkeit.
Und auch hier hat die Landesregierung – man erkennt ein Muster – mit der Ankündigung deutlicher Kürzungen für erhebliche Unruhe gesorgt. Die Situation wurde durch massiven Widerstand teilweise gelindert, nun führt jedoch eine handwerklich schlechte Bewillingungspraxis von Trägeranträgen zu großen Problemen bei den karitativen Einrichtungen. Selbstverständlich versuchen wir auch hier im Rahmen des Möglichen einzuspringen und zu unterstützen, so gut es eben geht.
Die Aachener Freien Träger im Sozial- und Jugendbereich, von den Kitas bis zur Aidshilfe, von der Seniorentagesstätte bis zur Obdachlosenhilfe leisten unendlich wichtige Arbeit. Leider steht diese Arbeit bisher jedes Jahr erneut vor einem Finanzierungsproblem und jedes Jahr müssen bürokratische Hürden genommen, Anträge gestellt, Verträge befristet werden. Um diesen Missstand abzustellen und den Haushalt der Stadt langfristig besser planen zu können, werden wir die Unterstützung so schnell wie möglich auf Leistungsvereinbarungen und Zuwendungsbescheide mit einem festen Index umstellen. Es geht hier um die verbindliche Absicherung, die Steuerbarkeit und den präzisen Ausbau unserer wertvollen sozialen Angebote.
Besonders möchte ich auf die Innenstadtentwicklung und damit auch auf das Haus der Neugier und die Entwicklung einer großen Anzahl neuer Wohnungen für Familien am Bushof eingehen.
Die Gestaltung des Wandels unserer Innenstadt ist eine der größten Stadtentwicklungsaufgaben die vor uns liegen und wir alle haben in dieser und in der vergangenen Ratsperiode viele Stunden investiert, um nachhaltige Lösungen zu finden.
Einen ersten Höhepunkt hatte die politische Debatte am Ende der letzten Wahlperiode, als alle Fraktionen Antragspakete eingebracht haben. Im Rückblick muss man wohl sagen, dass viele dieser Ideen eher ein Ausdruck von Hilflosigkeit waren. Wir erleben einen tiefgreifenden Strukturwandel. Da ist es nicht getan mit Pop-Up-Stores und bunten Holzmöbeln. Da ist mehr Substanz gefragt.
Natürlich wurden in der letzten Wahlperiode aber auch erste wichtige Schritte eingeleitet, nicht zuletzt der Abriss des Parkhauses am Büchel.
Aber auch die wichtigen Ratsanträge zur Neugestaltung des Theaterplatzes, zur deutlichen Reduktion des Verkehrs auf dem Grabenring, zur dauerhaften Einrichtung des Archimedischen Sandkastens und zur Sanierung der Parkhäuser wurden bereits von der Koalition aus CDU und SPD eingebracht.
In den letzten drei Jahren haben wir dann endlich gemeinsam den Knoten durchschlagen. Zunächst mit weicheren Maßnahmen, wie der Verlegung des Wochenmarkts zu seiner langfristigen Sicherung, den Beschlüssen zur Ausweitung von Veranstaltungen in der City z.B. durch Lärmschutzgutachten oder der Beauftragung einer einfacheren, abgespeckten Leitlinie für die Außengastronomie. Wir haben diese Maßnahmen stets mit der ausreichend diskutierten Idee der “Ermöglichungskultur” verbunden.
Und in der letzten Sitzung dieses Rates haben wir schließlich das größte Rad gedreht und das Horten-Haus erworben. Wir haben es uns mit dieser größten Einzelinvestition in der Geschichte unserer Stadt nicht leicht gemacht und mehr als einen veränderten Beschlussentwurf eingebracht.
Nun jedoch bietet sich aber eben auch die vielleicht größte Chance für unsere Innenstadt: Das Haus der Neugier als Bildungs- und Aufenthaltsort für alle Aachenerinnen und Aachener und eben das damit unauflösbar verbundene Bushofquartier mit seinen vielen, günstigen Wohnungen im Herzen unserer Stadt.
Und ja, jetzt passiert auch an anderen Orten etwas. Die Immobilienbesitzer schöpfen wieder Vertrauen. Die Entwicklung der Innenstadt erwacht. Im Dahmengraben, in der unteren Adalbertstraße und selbst im ehemaligen Wehmeyer-Komplex werden Immobilien vermietet, gekauft und Bauanträge gestellt. Unsere gemeinsame Arbeit zeigt Erfolge und darauf können wir stolz sein.
Nun heißt es eben auch: Nicht nachlassen! Weiter machen! Vielleicht mit der City-Passage, ganz sicher aber mit einem großflächigen Sanierungsgebiet.
Über diese Entwicklungen in und rund um die Innenstadt hinaus sind auch weitere große Projekte Bestandteil des diesjährigen Budgets: Der Campus, der Sportpark Soers, die Verkehrswende, der Kita-Ausbau.
Ich habe eingangs schon beschrieben, dass es erhebliche Haushaltsdisziplin erfordern wird, dies zu stemmen. Auf diesen Weg haben wir uns gemacht und das haben wir auch in den Beratungen zu diesem Haushalt unter Beweis gestellt.
Aber – das möchte ich noch einmal sehr deutlich sagen – wir werden es nicht dauerhaft ohne eine bessere Politik in Bund und Land schaffen!
Statt der erforderlichen Unterstützung werden wir aber damit konfrontiert, einen weiteren Mega-Bebauungsplan für unser Uniklinikum erstellen zu sollen. Ich kann nicht zu Protokoll geben, was ich von dieser Attitüde der Landesregierung halte und der Drops ist auch noch nicht gelutscht!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Aachen ist, auch dank Ihnen persönlich, liebe Frau Grehling, eine der wenigen haushalterisch noch gut aufgestellten Kommunen in unserem Land. Wir sind in der Lage, unsere Aufgaben für die Aachenerinnen und Aachener zu erfüllen.
Also packen wir es an und setzen die vielen guten Ideen und Beschlüsse dieses Rates in die Tat um.
Eine funktionierende Kommune, die ihre Bürgerinnen und Bürger wirklich ernst nimmt, ist nicht zuletzt der beste Schutz unserer Demokratie!
Vielen Dank!